Schweizer Wirtschaft erholt sich – Potenzial für Lohnerhöhungen

Nachdem noch Anfang September aufgrund vieler Unsicherheitsfaktoren im Ausland, wie etwa Brexit, lahmendem Welthandel und einer stockenden globalen Konjunktur eher schlechte Aussichten für die Schweizer Volkswirtschaft prognostiziert wurden, hat sich das Blatt inzwischen gewendet, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) mitteilt. Die Schweizer Wirtschaft erholt sich. Gemäss SECO kann für 2016 ein Wachstum des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) von 1,5 Prozent erwartet werden und in 2017 soll dieser Wert weiter auf 1,8 Prozent steigen. Der überraschende Wechsel von eher ungünstigen zu optimistischeren Aussichten für die nationale Volkwirtschaft liegt in der Neueinschätzung der Auswirkungen des Brexit-Entscheids auf Kontinentaleuropa. Dieser hatte zunächst international die Unsicherheit erhöht, aufgrund der Reaktionen der Kapitalmärkte gehen die Konjunkturexperten inzwischen davon aus, dass Kontinentaleuropa von den negativen Auswirkungen grösstenteils verschont bleiben wird und Grossbritannien den grössten Schaden davontragen wird.

Global positive Tendenzen

Des Weiteren befindet sich das weltweite Wachstum allmählich im Aufschwung. Obschon die Wachstumsrate des BIP in den USA unter den Erwartungen blieb, scheint einer Progression nichts im Wege zu stehen. In den Schwellenländern hingegen entwickelt sich die Konjunktur derzeit verhalten, doch die Talsohle scheint allmählich erreicht zu sein. China stützt das Wachstum durch eine expansive Geld- und der Fiskalpolitik, um einer raschen Verlangsamung der Konjunktur entgegenzuwirken. In Russland scheint der wirtschaftliche Niedergang allmählich abgeschlossen zu sein, eine deutliche Erholung sei aber nicht in Sicht, so das SECO. In Anbetracht dieser Faktoren sowie der Beschleunigung des BIP-Wachstums im ersten und zweiten Quartal 2016 rechnet das SECO für die Schweiz mit einer positiven Entwicklung und einem konjunkurellen Aufschwung.

Neben der Verstärkung der BIP-Wachstums beobachtet das SECO die breitere Abstützung des Wachstums auf die Wirtschaftssektoren. Die inlandorientierten staatsnahen und privaten Dienstleistungen (das Gesundheitswesen, sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen) expandierten im zweiten Quartal deutlich. Aber auch Bereiche, wie die Industrie und der Tourismus, die besonders unter der Frankenstärke zu leiden hatten, steuern auf eine Entspannung zu. Allerdings ist die Situation innerhalb der Sektoren (z. B. innerhalb der Industrie) immer noch sehr unterschiedlich.

Wirtschaft erholt sich – Stabilisierung am Arbeitsmarkt

Auch der Arbeitsmarkt war von den Nachwirkungen der letztjährigen Konjunkturabschwächung gezeichnet. Im Verlauf des Jahres 2015 und auch noch Anfang 2016 hatte sich das Beschäftigungswachstum deutlich abgeschwächt. Inzwischen hat sich der Stellenabbau in vielen Dienstleistungsbranchen verlangsamt, was als Vorbote für ein stärkeres Beschäftigungswachstum gedeutet wird, die Talsohle scheint durchschritten. Mit fortschreitender Konjunkturerholung rechnet das SECO mit einem allmählich anziehenden Beschäftigungswachstum im kommenden Jahr. Damit dürfte sich die Arbeitslosenquote sowohl 2016, als auch 2017 auf dem Niveau von 3,3 Prozent (Jahresdurchschnittswert) vorerst stabilisieren.

Potenzial für Lohnerhöhungen

Betrachtet man die stattfindenden und erwarteten Entwicklungen unter einem volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt, zeichnet sich ein Potenzial für Lohnerhöhungen ab, jedenfalls in diesen Unternehmen, die vom Doppelschlag aus Finanzkrise und Frankenschock nicht zu hart getroffen worden sind. Löhne/Lohnerhöhungen und Produktivität sind Faktoren, welche verschiedene volkswirtschaftliche Modelle beflügeln. So steht etwa der Produktivitätszuwachs, welcher in einem höheren BIP resultieren kann, und die Löhne in enger Korrelation. Das Modell der «Phillips-Kurve» besagt, dass bei sinkender Arbeitslosigkeit die Löhne steigen, und umgekehrt verhält es sich bei steigender Arbeitslosigkeit.

Durch den sich erholenden Handel und den erwarteten Anstieg des Schweizer BIP gibt es Raum für Lohnerhöhungen. Weiter prognostiziert das SECO eine Stabilisierung der Arbeitslosenquote. Wenn die Arbeitslosenquote wie erwartet sinkt und sich auf 3,3 Prozent einpendelt, ergeben sich zumindest kurzfristig gute Gründe für Lohnerhöhungen. Die Wirtschaft erholt sich, mit der Stabilisierung der Arbeitslosenquote bei 3,3 Prozent sind Lohnsenkungen erst einmal vom Tisch. Den Gewerkschaften, die sich gerade mit ihren Forderungen exponiert haben, ergibt sich daraus eine gute Verhandlungsposition. Ob es sich bei der aktuellen wirtschaftlichen Konstellation um ein Zwischenhoch handelt oder die Erholung nachhaltig ist, wird niemand vorhersagen wollen, denn die politischen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten im In- und Ausland sind zahlreich.

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Medienmitteilung des SECO vom 19.09.19

Artikel in der NZZ vom 20.09.16